Adaptive Reuse vom Feinsten! Exkursion zum Handelszentrum 16 in Bergheim!

Am 6. Juni lud architektur in progress interessierte Kolleg*innen aus Salzburg, Linz und Wien zur einer ganz besonderen Exkursion nach Salzburg ein, um das Handelszentrum 16 in Bergheim zu besichtigen. Als Musterbeispiel für Adaptive Reuse planten Smartvoll Architekten dieses für den erfolgreichen Developer Marco Sillaber, der bereits davor mit dem Gusswerk und der Panzerhalle zwei „Industriebrachen“ zu ganz besonders inspirierenden Orten entwickelte. Das Handelszentrum 16 ist sein neuestes Projekt, das für die Mies van der Rohe Awards 2024 nominiert wurde.
 
Zahlreiche Kolleg*innen waren der Einladung von architektur in progress gefolgt und so starteten wir um 15:00h vom Salzburger Hauptbahnhof Richtung Bergheim. Knappe 15 Minuten vom Stadtzentrum entfernt befindet sich das Handelszentrum 16 direkt am Rande des Landschaftsschutzgebiet Plainberg in einer gut angebundenen Gewerbezone. Von außen lassen die äußerst sparsam gesetzten Interventionen am ehemalige Auslieferlager des Universalversands im spröden Scharm der 1970er Jahre kaum vermuten, welche herausragenden Qualitäten sich im Inneren überraschend offenbaren. 

Die Hallen standen schon längere Zeit leer (wohl eine Folge des Onlinehandels von Amazon & Co) und es braucht schon viel Fantasie, um darin einen ungeschliffenen Rohdiamanten zu erkennen. Das Team Sillaber und Smartvoll hatte schon zuvor sehr erfolgreich beim Projekt Panzerhalle zusammengearbeitet. Dennoch herausfordernd die Größe des Objektes und auch die ökonomische Vorgabe weniger als 1000€ pro m² (für Kauf, Entwicklung, Planung und Baukosten) zu investieren. Statt eines Abrisses (um die 25.500m³ bereits verbauten Beton zur nächsten Recyclinganlage zu transportieren, hätten die LKWs in Summe eine Strecke zweimal um den Äquator zurückgelegt und dafür wären über 15 Tonnen CO2 verbraucht worden, abgesehen von der Energie für einen Neubau) erkannte man das Potential des enorme Raumvolumens.

Durch das Einziehen von Plattformen gelang es Smartvoll die Nutzfläche zu verdreifachen. So können sich die Mieter über viel Raum für wenig Geld freuen. Durch geschickte Einschnitte von begrünten Höfen und Belichtungsöffnungen im Dach entstanden stimmungsvolle Räume, die durch ihre Größe begeistern und beeindrucken. Lichtdurchfluteter Raum, der in seiner Dreidimensionalität und Schlichtheit fast an gotische Kathedralen erinnert. Darin stapeln sich Gewerbeflächen, Dienstleistungs- und Büroflächen, Verkaufsflächen, Künstlerateliers, aber auch ein wunderbares Bistro und ein Fitnesscenter. Von der Werkstatt aus im EG, in der gerade Küchen gefertigt werden, kann man über großzügig verglaste, dreigeschossige Öffnungen den Rehen im urwaldartigen Landschaftsschutzgebiet beim äßen zusehen. Das wären wohl auch perfekte Lofts, wenn hier nicht die Gewerbewidmung dem entgegenstünde. Es wird Zeit Mixed-Use gerade in solchen Gebäuden zuzulassen.

Das Geheimnis von Marco Sillabers Erfolg ist einerseits die kuratierten Mieter*innen- bzw. Nutzer*innensuche. Gekonnt und ganz gezielt werden von ihm unterschiedliche Nutzer*innen zu einem inspirierenden „Blumenstrauß“ zusammengebunden. Start-Ups werden ebenso gefördert wie Künstler*innen. Das wiederum erzeugt gemeinsam mit der hervorragenden Rauminszenierung von Philipp Buxbaum, Christian Kircher und ihrem Team von Smartvoll ein ganz besonderes Ambiente, das weitere Nutzer*innen anzieht. Sogar über die Landesgrenzen hinweg. Und auch Hochzeiten und Events finden im Handelszentrum16 statt.

Andererseits verzichtet Sillaber auf Fremdfinanzierung, setzt auf einfache aber ästhetisch überzeugende bauliche Maßnahmen, gute, zeitgemässe Gestaltung und nutzt geschickt das Raumpotential des Bestandes. Sogar der dunkle Keller wird höchst erfolgreich für die Zucht von Bio-Garnelen  "made in Salzburg" genützt. Und Sillaber investiert auch selbst in spannende Unternehmen und Ideen. Gerade wird ein Küchensystem für „Hello Kitchen“ entwickelt, dessen Oberflächen aus ganz besonderen Materialien gefertigt werden und austauschbar sind. Diese werden von unterschiedlichen Künstler*innen gestaltet. Wenn diese Künstler*innen in der Folge am Kunstmarkt reüssieren, kann man deren Werke aus der Küchenfront ganz leicht herauslösen und ersetzen, um das Kunstwerk entweder selbst auszustellen oder am Kunstmarkt profitabel zu versteigern.

Adaptive Reuse also vom Feinsten! Unser großer Dank gilt Marco Sillaber und Smartvoll für diesen inspirierenden Einblick und die freundliche Einladung.

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