"Denk statt an Bodenversiegelung und Leerstand an Denkstatt"

Ein Vortrag der besonderen Art. Über 130 Besucher*innen waren ins West, in die alte WU-Wien, gekommen um den Vortrag von Ben Pohl, Partner vom Basler Büro Denkstatt sàrl nicht zu versäumen. Es war ein grandioser Impulsvortrag, wie man aus urbanen Industriebrachen florierende Stadtteile entwickeln kann, wenn man weiß wie. Denkstatt sàrl weiß wie! Seit 199,6 unter anderem von Barbara Buser mitbegründet, hat sich ein interdisziplinäres Team von rund 20 Mitarbeiter*innen entwickelt, dass sich mittlerweile nicht nur in der Schweiz, sondern weit über die Grenzen hinaus mit Leuchtturmprojekten für kreislauffähiges Bauen und die Weiterentwicklung von Bestandsarealen einen Namen gemacht hat. Die Denkstatt gestaltet räumliche Transformationssprozesse in partizipativer Zusammenarbeit: von den kleinsten Umnutzungen bis zu großmaßstäblichen Quartierentwicklungen, von Freiraumstrategien bis zu Stadtklimaanpassungen, von nachhaltigen Organisationsmodellen bis zu Kommunikationsstrategien. Und sie wissen auch wie man argumentieren und rechnen muss, um auch mit Investoren, Grundeigentümern und Kommunen ins Gespräch zu kommen.

 

Besonders spannen war die Aussage von Ben Pohl, dass man für die Belebung großer Leerstands-Brachen anhand der Zwischennutzer*innen sehr genau abfragen kann, welcher konkrete Bedarf besteht, welche Standards durchaus reichen, was leistbar wäre und was einfach weggelassen werden kann. Zudem spart sich der Investor hohe Leerstandskosten in der Wartezeit etwaiger Umwidmungen und Planungen und kann sein Geld nachhaltiger in ein gesamtheitlich agierendes Prozessmanagement investieren, dass über partizipative Modelle den Leerstand in einen Testing-Ground verwandelt, der die Nutzer*innen von morgen destilliert. Und langfristig gedachte Projekte auf Baurechtsbasis können durchaus auch für den Grundstückseigentümer einen wirtschaftlichen Erfolg sicherstellen, aber unterscheiden sich in ihrer Nachhaltigkeit ganz deutlich von jenen Projekten, die einen schnellen Profit privatisieren und den Schaden an der Umwelt, am Stadtbild und am sozialen Gefüge ebenso wie die Entsorgung des Sondermülls vergesellschaften und auf die nächste oder übernächste Generation verschieben.

 

Im Anschluss an den Vortrag wurde diskutiert, was das für Österreich bedeutet bzw. welche Strategien auf die heimische Situation umgelegt werden könnten. Dazu stellten Mia2 Architekten aus Linz ihr „Stadthaus“ vor, dass sie vom Abbruch bewahrt und zu einem lebendigen Ort weitergebaut und adaptiert haben. Dazu wechselten die Architekt*innen in die Rolle des Bauträgers, mit allen Risiken und Mühen. Was in der Sanierung entdeckt, herausgearbeitet und liebvolle ergänzt wurde schafft heute Identität und Mehrwert. Auch Mark Neunen von Mostlikely  entwickelt und forscht mit seinem Team an Transformationsmodellen, die zu einer resilienteren und inklusiveren Umwelt führen. Dazu haben Mostlikely drei Strategien entwickelt: Co-Creation, Circular Architecture and Common Space.
Der Abend hat Hoffnung gemacht, dass eine neu, interdisziplinäre Planer*innnegeneration erfolgreich neue Wege geht;“ Less Ego and more Eco“

 

Wer Ben Pohl in Wien versäumt hat, hat am 24. November nochmal die Möglichkeit ihn beim Vortrag im „Wilden Mann“ bei LOVE in Graz live zu erleben: https://www.architektur-inprogress.at/detail/denstatt-sarl-graz.html

denkstatt sàrl

"Die Welt ist bereits gebaut" sagt Ben Pohl von Denkstatt sàrl aus Basel.

Denkstatt ist DAS interdisziplinäre Kollektiv, das durch eine Reihe beispielgebender Pionierprojekte im Basel, Zürich, Winterthur oder Berlin gezeigt hat welches enorme Potential im Weiterbauen im Bestand, in der Wiederbelebung und Neuprogrammierung von Leerstandsbrachen und in der Aneignung von Raum besteht. Der Transformationsprozess zu einer neuen klimagerechteren und kreislauforientierten Baubranche, oder besser einer Um-Baubranche bringt auch enorme Chancen für das Berufsbild und den Tätigkeitbereich der Architekturschaffenden. Generalistisches, interdisziplinäres Schaffen, die Entwicklung von Strategien, die Programmierung und Betreuung von Prozessen – all das wird verstärkt gefragt sein. Laut Ben Pohl liegt der Schlüssel zu einer klimagerechten (Um)Baubranche im Kulturwandel! Motive, Prozesse und Anreize müssen sich gravierend verändern. Das wollen wir im Anschluss an den Vortrag von Denkstatt mit Euch diskutieren!

Am Podium werden neben Ben Pohl auch Sandra Gnigler und Gunar Wilhelm von Mia2 vertreten sein, die selber in die risikoreiche Rolle der Projektentwickler gewechselt sind um mit dem STADTHAUS in der Lederergasse in Linz ein hervorragendes Beispiel  realisiert haben, wie ein derartiges Bauvorhaben als Experimentierfeld im Sinne von innovativen Sanierungsmethoden und Sonderlösungen genutzt werden kann: https://www.mia2.at/stadthaus

Ebenso am Podium Mark Neuner von Mostlikely, die sich mit der Konzeption der Kreislaufwerkstatt sowie der Aneignung und Demokratisierung des „öffentlichen Raums“ intensiv auseinandergesetzt haben: https://mostlikely.at/mostlikely/

Die Architekt*in als Prozessmanger*in für Co-Creation und partizipative wie interdisziplinäre Planung?

 

"Und das ist die gute Nachricht: die Welt ist gebaut"

Der Schlüssel zu einer neuen klimagerechteren Baubranche – einer Umbaubranche – liegt in der Umnutzung und Weiterentwicklung der gebauten Welt. Für eine klimagerechte Stadtentwicklung kommt es darauf an, die vielfältigen Potenziale im Bestand zu erkennen, neu zu organisieren und nachhaltig verfügbar zu machen. Ein wichtiger erster Schritt ist die Forderung nach einem Abrissstopp. Das allein reicht aber nicht aus. Die Baubranche braucht einen Kulturwandel in ihren Motiven, Prozessen und Anreizen. An Hand verschiedener, beispielgebender Arealtransformationen in der Schweiz zeigen Tabea Michaelis und Ben Pohl, beide Partner von denkstatt sàrl in Basel, eine Reihe von Strategien auf, die zu einer neuen Umbaukultur beitragen können.

 

Denkstatt sаrl | Basel - Zürich

Als Entwicklungsbüro für alle Phasen und Arbeiten vor und neben den klassisch architektonischen Leistungsphasen, wurde die denkstatt 1996 gegründet. Heute versteht sich die denkstatt sаrl als eine Projektentwicklerin auf verschiedenen (Massstabs-)Ebenen gegenwärtiger städtebaulicher Transformationsprozesse im urbanen und ruralen Kontext in der Schweiz und im Ausland.

Denkstatt organisiert städtebauliche Transformation. Noch vor den Überlegungen zur zirkulÄren Wiederverwendung von Bauteilen, setzt die denkstatt auf die dauerhafte Verlängerung von Lebens- und Gebrauchszyklen von ganzen Gebäudestrukturen und Quartierten. Sie sieht ihre Kernkompetenz u.a. in der Erweiterung von Nutzungsoptionen städtischer Räume. Auf Basis lokaler Potenziale, Akteure und Qualitдten wird die Transformationen von Gebäudestrukturen, Freiräumen und Quartierten mit den minimal nötigen finanziellen und baulichen Eingriffen nachhaltig und ökonomisch tragfähig geplant und realisiert.  In einem interdisziplinären Team aus ca. 20 Mitarbeiter:innen (Architektur, Landschaftsarchitektur, Stadtplanung, Design, Soziologie, Geografie, Ökonomie u.a.) arbeitet die denkstatt pragmatisch, dialogisch, partizipativ und analytisch am und mit dem Ort in 1:1 Modellen aus Gebäuden, Kontext und involvierten Akteueren und bringt gemeinwohlorientierte Trägerstrukturen für nachhaltige Areal-, Quartier- und Freiraumentwicklungen ins Funktionieren. Denkstatt ist Schwester einer gemeinsamen Büroverbund zusammen mit dem Baubüro Insitu AG, der Zirkular GmbH und der Unterdessen GmbH in Basel und Zürich.

 

 

Tabea Michaelis M.Sc. Urban Design Research/ Dipl. Ing. Landschaftsarchitektur | Partnerin

Tabea Michaelis ist gelernte Staudengärtnerin, diplomierte Landschaftsarchitektin und M.Sc. Urban Designerin. Nach dem Diplom in Landschaftsarchitektur an der Technischen Hochschule Rapperswil OST (CH) arbeitete sie für verschiedene Schweizer Landschafts-/Architekturbüros und als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut IRAP im Forschungsprojekt «zone*imaginaire Zwischennutzungen in Industriearealen». In ihrer Forschungsarbeit «Programm Möglichkeitsraum» setzt sie sich mit der Fragestellung gegenwärtiger Möglichkeitsräume auf der Hamburger Elbinsel Wilhelmsburg auseinander. Neben ihrer Berufspraxis bei denkstatt sаrl unterrichtet sie als Dozentin an verschiedenen Schweizer Hochschulen, hält Vorträge und forscht zur Fragestellung kooperativer Gestaltungsprozesse und engagiert sie sich für die Vermittlung von kooperativen Gestaltungsprozessen, Prozess-Architekturen sowie Freiraumstrategien. Seit Mai 2023 entwickelt sie als Ko-Studiengangsleitung den Master of Art für Raumentwicklung Kollaborative Proesse, welcher ab Herbst 2024 an der Hochschule Luzern beginnt.

 

 

Ben Pohl M.Sc. Urban Design Research/ Dipl. Des. Kommunikation

Ben Pohl hat einen handwerklichen, einen sozialwissenschaftlichen und einen gestalterischen Ausbildungshintergrund. Neben Studium und freier Berufspraxis in Berlin und Hamburg, war Ben Pohl im Zeitraum von 2010 bis 2015 als Lehrbeauftragter und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehr- und Forschungsbereich Urban Design der HafenCity Universität und der «Universität der Nachbarschaften» (UdN) in Hamburg tätig. In seiner Berufspraxis verbindet er soziologisch-analytische Zugangsweisen zu Stadt, mit Werkzeugen und Techniken aus Architektur, Design, Fotografie und Film. Seit September 2016 arbeitet er im Team der denkstatt sàrl in Basel in den Kernbereichen «Sozialräumliche Entwicklungskonzepte», «Dialogformate» und «Urbane Kommunikation». Von 2018 bis 2020 war er als «Studio Lead» am DARCH «Newrope» Chair der ETH Zürich für die Entwicklung innovativer städtebaulichen Lehrkonzepte und den Aufbau des «Design in Dialogue Lab» mitverantwortlich. Seit 2018 engagiert er sich bei B/IAS – Basel Institut für angewandte Stadtforschung, für die Förderung zivilgesellschaftlicher und gemeinwohlorientierter Stadt- und Regionalentwicklungskompetenz mit dem Fokus auf soziale, ökologische und ökonomische Klimagerechtigkeit.

 

 

Vortrag im Rahmen der BDA-Ausstellung „Sorge um den Bestand“ (19.9. – 26.10.2023 im west-Alte WU Wien)

 

www.denkstatt-sarl.ch

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