Worin liegt die Zukunft der Architektur?
Seit Anbeginn an hat sich architektur in progress nicht nur für die Förderung ganz junger Architekturbüros eingesetzt, sondern auch für den Austausch zwischen diversen Ausbildungsstätten und regionalen Szenen. Das Bauen und damit auch das Berufsbild der Architektur haben sich in den letzten 25 Jahren rapide verändert. Und eigentlich war das auch bereits in der Vergangenheit regelmäßig der Fall, dass eine neue Generation das Berufsbild kritisch hinterfragt und neu erfunden hat.
Die Entscheidungen über Qualität und Erscheinungsbild unserer Siedlungsräume werden überwiegend kapital- und profitgesteuert getroffen. Die Expertise zur Baukultur spielt dabei vielfach keine oder nur mehr eine untergeordnete Rolle. Maximal 7% der Bauaufträge in Österreich werden noch durch Architekt*innen geplant. Erfolgreich ist, wer das Baugesetzt mit dem geringsten Aufwand maximal ausnützen kann, und nicht wer sich bemüht qualitätvolle Alternativen zu suchen, die auch einen gesellschaftlichen Mehrwert brächten. Die Bezahlung ist zumeist unterdurchschnittlich. Der Frauenanteil beträgt in der EU 36% währen er in Österreich gerade mal 18% beträgt.
Die Baukultur als Spekulationsopfer. In Wien sind alleine 2022 mehr als 400 Gründerzeithäuser der Immobilienspekulation und Gewinnoptimierung zum Opfer gefallen. Ersetzt durch oft monotone Flächenoptimierungen auf niedrigem räumlichen wie ökologischen Niveau. Wer will sich daran beteiligen? Gebaut wird, was aus der Bauordnung maximiert werden kann, nicht was für den Stadtraum bzw. seine Bewohner*innen wichtig, notwendig, standortgerecht oder qualitätsfördernd wäre. Vom daraus resultierenden viel zu hohen CO² Ausstoß und der Klimaerwärmung gar nicht erst zu reden.
Nicht nur der Turbokapitalismus der Baubranche schreckt die „next generation“ ab, sondern auch die enorme Verrechtlichung, die platzgegriffen hat. Auch das hat das Berufsbild nachteilig verändert. Rechtliche Hürden bei der Bewerbung für neue Aufträge, die Verdoppelung der Baunormen in nur 10 Jahren und die permanente Konfrontation mit Rechtsanwält*innen von Bauherrn, Anrainern oder den Generalunternehmen hat viele Architekturschaffende dazu bewogen die örtliche Bauaufsicht an spezialisierte Ingenieurbüros abzugeben. Dadurch entkoppelt sich die Planung immer mehr von der Ausführung und vom Handwerk. In den Büros sitzen Absolvent*innen von früh bis spät vor den Computern und bekommen vom tatsächlichen Baugeschehen kaum mehr etwas mit. Und dann wird Planung mehrheitlich schlechter bezahlt. Kein Wunder, dass viele der jungen Kolleg*innen keine Lust mehr haben unter diesen Rahmenbedingungen mit zu machen.
Aber was und wie wollen denn junge Architekturabsolvent*innen arbeiten. Wo liegt ihrer Meinung nach die Zukunft des Berufsstandes? Und haben Architekt*innen nicht die Aufgabe eine Anwaltschaft für die Gesellschaft, die Bevölkerung zu übernehmen, anstatt dem Kapital zu dienen? Amanda Sperger von architektur in progress wollte dazu den Diskurs anregen und hatte zur Veranstaltung „innovativ initiativ“ am 9. Mai drei Initiativen in den LAUFEN Space in Wien eingeladen. Deren Protagonist*innen sind trotz oder gerade wegen der Architekturausbildung eigene Wege abseits des Mainstreams gegangen, entwickelten neue Formate und fanden innovative Kommunikationswege. Architekt*innen als Organisator*innen transdisziplinärer Initiativen: Eine Flucht vor den vorherrschenden Verhältnissen, eine Erweiterung des Architekturberufs oder einfach Passion? Über 90 Besucher*innen waren gekommen um der Diskussion zu folgen. In den drei Keynotes stellten Jerome Becker von MAGAZIN. SPACE FOR CONTEMPORARY ARCHITECTURE, Victor Dölle vom Poolbar Generator und die Protagonist*innen von megaworld.xyz, Pia Bauer und Hans Schmidt ihre Initiativen vor.
Jerome Becker stellte das Magazin. vor, dessen Aktionsraum demnächst in den zweiten Bezirk übersiedelt. Seit 2018 stellt das Team um Jerome Becker und Matthias Moroder junge nationale und internationale Architekt*innen im Rahmen von Ausstellungen vor, die speziell für ihren Galerieraum entwickelt werden. Es fehlte damals ein außeruniversitärer Raum in dem man sich auch analog treffen und austauschen konnte, der bespielt werden konnte und der Medium und Ort der Begegnung gleichzeitig ist. Die kontinuierlich wechselnden Ausstellungen werden von Publikationen, Diskussionen und Vorträgen flankiert. Zusätzlich entwickelte sich die Vienna Summer School die sich als Labor und Workshop für internationale Architekturstudierende insbesondere mit dem öffentlichen Raum auseinander setzt. Forschung und Lehre runden den Tätigkeitsbereich des MAGAZIN. teams ab.
Die Poolbar ist schon wesentlich älter und ist ein Hybrid aus Veranstaltungen, Vorträgen, Ausstellungen, Workshops und Konzerten, der sich jedes Jahr neu am und um das Areal des alten Hallenbads in Feldkirch neu erfindet. Jedes Jahr wird im Poolbar Generator mit internationalen Studierenden im Rahmen eines interdisziplinären Workshops und in Zusammenarbeit zwischen Architektur, Design, Grafik und Programmierung das Setting am Ausstellungsgelände neu entwickelt.
Viktor Dölle kommts aus Feldkirch und sagt selbst er habe den coolsten Job der Welt. Er ist für die Architektur des Generators verantwortlich. Gemeinsam mit Studierenden der TU-Wien, aber auch aus Berlin, Kiel und anderen Orten entwickelt er im Frühjahr Bühnen, Dächer, Bars, Kassahäuschen, Ausstellungsbereiche, die dann im Sommer auch gemeinsam gebaut werden müssen. Gerade diese Erfahrung selber Konstruktionen zu bauen, zu heben, Gewicht zu spüren, Hand anzulegen, und mit unterschiedlichen Materialien zu experimentieren, bildet eine besondere Faszination. Durch Recycling und Reuse von Materialien wird nicht nur sehr ressourcenschonend gebaut, sondern es entsteht ein Kreislauf, der aus einem Material immer wieder manchmal auch überraschend neu Fassetten zum Vorschein bringt. Und das coole an dem Job ist, dass man dann auch coole Konzerte miterleben kann und immer neue Leute kennen lernt. Gemeinschaftsgefühl pur.
megaworld.xyz, ist die jüngste der drei Initiativen und hat sich in der Pandemie entwickelt. Man kannte sich schon aus der Zeit auf der Akademie in Wien. Die Plattform ist offen für alle – die Urheber*innenschaft ist weniger wichtig als das gemeinsame Erlebnis und das Teilen. Unterschiedliche DJs bzw. Djanes und Performancekünstler*innen präsentieren sich im Rahmen des megaworld-Festivals. Für diese entwickelt das Team um Pia Bauer und Hans Nikolaus Schmidt digitale Räume und Architekturen, die dann im Rahmen der Performance mittels Green Screen projiziert werden. das Publikum ist entweder im Screen-Space in der Damböckgasse im 6. Bezirk in Wien live dabei oder eben digital von überall. Das Studio ist die Schnittstelle zwischen digitalem und analogem Raum. Der digitale Raum stellt einen Fluchtort dar, wenn man mit dem analogen Alltag nicht zufrieden ist, aber auch, weil er neue Dimensionen eröffnet. Bei megaworld.xyz gibt es keine Regeln oder Restriktionen.
Alles ist Low Budget und wird gemeinsam als Team DIY gebaut. Man lebt nicht mehr im Zeitalter der Monovisionen - es gibt immer mehrere Lösungen und mehrere Dimensionen in einem erweiterten Raum. Das eröffnet ein Experimentierfeld ohne analoge Rechtsprobleme. Ein raum der Allgemeinheit ganz im Sinne der Anfänge des www. megaworld.xyz akzeptiert die Realität in der gegebenen Form einfach nicht, versucht diese durch gemeinschaftliche Aktivitäten und Kooperationen zu verändern. Im realen wie digitalen Raum.
In der danach auch mit dem Publikum sehr lebendig geführten Diskussion war man sich einig durch strategische Kooperationen und einen intensiveren Austausch gemeinsam mehr erreichen zu wollen. Die drei unterschiedlichen Teilöffentlichkeiten könnten durch Vernetzung mehr an Veränderung erreichen. Auch wenn keiner der Proponent*innen sich im Architekturbüroalltag von Stararchitekten sieht, war man dennoch Feuer und Flamme für die (auch reale) Architektur. Trotz aller Kritik lebe man in einer interessanten Epoche in der sich neu Spielräume auftun. Und mit freien Strukturen kann man Themen viel lauter und mutiger positioniere, weil man nicht mit Ö-Normen oder finanziellen Rahmenbedingungen zu kämpfen hätte. Die Gemeinschaft ist ein wesentlicher Trigger – ohne das tolle Teamwork wären solche Projekte nicht möglich. Und man muss immer auch im positiven Sinne ein wenig verrückt sein. Die Zukunft der Architektur liegt in einer interdisziplinären Gemeinschaft deren Ziel es ist mit gebündelten Kräften eine Veränderung herbei zu führen: Viribus Unitis! Fortsetzung folgt…
Volker Dienst 20230518
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innovativ initiativ
MAGAZIN., megaworld.xyz, Poolbar Generator stehen exemplarisch für Initiativen, die trotz oder gerade wegen der Architekturausbildung der Protagonist*innen eigene Wege abseits des Mainstreams gehen, neue Formate entwickeln und innovative Kommunikationswege finden. Architekt*innen als Organisator*innen transdisziplinärer Initiativen: Eine Flucht vor den vorherrschenden Verhältnissen, eine Erweiterung des Architekturberufs oder einfach Passion?
Vorträge & Diskussionsrunde mit
POOLBAR GENERATOR
legt unter einem vorgegebenen Festivalmotto die neue gestalterische Basis für das Poolbar Festival – denn, Besucher*innen dürfen sich jährlich über ein neues Erscheinungsbild des Festivals freuen. Das Festivaldesign wird im Rahmen von verschiedenen Laboren (Kunst-, Design-, Architektur-, Sprach- und IT Laboren) von Teilnehmer*innen und Laborleiter*innen mitentwickelt. Intensivworkshops in Voralberg und Wien ermöglichen interdisziplinären Austausch über die universitären Grenzen hinweg.
Das Architekturlabor, geleitet von Viktor Dölle, spannt sich von den ersten Skizzen über den gesamten Entwurf bis hin zur Umsetzungsplanung. Ziel ist es, ein ganzheitliches Gestaltungskonzept zu erarbeiten, das alle Gäste sowohl in seiner Erscheinung als auch funktional mitnimmt.
Das Poolbar Festival, von Herwig Bauer gestartet als Sommerakademie 1994, jeden Sommer in den Monaten Juli und August sechs Wochen lang neben Konzerten auch Kinofilme, Kurzfilme, Kabarett, Poetry-Slam, Pop-Quiz, Modeperformances, Diskussionen, Lesungen…
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https://www.instagram.com/poolbarfestival/?hl=en
MAGAZIN.
Space for Contemporary Architecture
präsentiert Arbeiten von jungen lokalen und internationalen Architekt*innen und Teams in Solo-Ausstellungen. Die speziell für die Räume der Weyringergasse konzipierten Ausstellungen werden durch dazugehörige Vorträge, Publikationen und Events ergänzt.
MAGAZIN. ist ein Ausstellungsraum für zeitgenössische Architektur in Wien und wurde im März 2018 von Jerome Becker, Matthias Moroder, Florian Schafschetzy, Eva Sommeregger and Clemens Nocker gegründet. Aktuell führen es Jerome Becker und Matthias Moroder.
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MEGAWORLD.XYZ
bietet digitale Räume, mit einem anarchischen, gemeinnützigen und everything-goes-Ansatz, der sich auf die gemeinschaftsgetriebene Do-it-yourself-Kultur konzentriert und sich für eine offene Struktur entscheidet, die von den Personen, die dazu beitragen, gestaltet wird.
Im Geiste alter Web 2.0 Message Boards und Foren vereint MEGAWORLD.XYZ ein Web-Radio, Chatrooms zu aktuellen Themen, Anleitungen, Marktplatz und vieles mehr.
Das jährlich stattfindende MEGAWORDL.XYZ FESTIVAL, ein Virtual-Reality-Festival, das über YouTube übertragen wird, hat sich inzwischen zu einer hybriden Veranstaltung entwickelt, die visuelle Kunst, Musik und Performance vereint und eine Brücke zwischen Online- und Offline-Community spannt.
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