Veranstaltungsrückschau

„Wem gehört das Land? – Knappe Ressource Boden“
Führung, Vortrag und Diskussion


Architekturführung
im Doppelmayr Büro Hohe Brücke, Wolfurt

Großes Interesse fand die Architekturführung am 27.05. im Büro Hohe Brücke von Doppelmayr in Wolfurt. Über 65 Interessierte kamen, um von Architekt Andreas Marth (AllesWirdGut Architekten) und Prokurist Markus Wilpernig (Doppelmayr Immobilien GmbH) mehr über das erst 2017 fertig gestellte, hoch moderne Bürogebäude zu erfahren. Die Teilnehmer konnten mehr über die Entstehungsgeschichte von Doppelmayr erfahren und wie das Unternehmen über hundert Jahre lang in der dörfliche Struktur des Ortsteils Rickenbach in Wolfurt gewachsen ist. Die neue Unternehmenszentrale stellt einerseits mit ihrem kompakten, hohen Baukörper eine besonders effiziente Nutzung von Grund und Boden sicher und andererseits haben die Architekten die ursprüngliche, dörfliche Struktur als „Global Village“ neu interpretiert. So wird der Baukörper durch „Schluchten“, „Marktplätze“, Terrassen, „Höhlen“ gegliedert, eröffnet Aus- und Einblicke und fördert so in unterschiedlichen Settings die Kommunikation zwischen den Mitarbeitern.


Vortrag und Diskussion

„Wem gehört das Land? – Knappe Ressource Boden“

im Doppelmayr Büro Hohe Brücke, Wolfurt

Am Montag, 27.05. folgten über hundert Teilnehmer der Einladung von architektur in progress in Kooperation mit dem vai Vorarlberger Architektur Institut zur Diskussion „Wem gehört das Land? – Knappe Ressource Boden“ bei Doppelmayr in Wolfurt. Nach der Begrüßung von Doppelmayr CEO Thomas Pichler stellte Frank Weber, Ressortdirektor der Südtiroler Landesregierung für Natur, Landschaft und Raumentwicklung den Prozess der Entstehung des neuen Südtiroler Gesetzes „Raum und Landschaft“ vor. Die Kompetenzen und Verfahren für Landschaftsschutz und Raumordnung wurden in einem Gesetz gemeinsam und neu strukturiert. Ziel war es kürzere und schlankere Genehmigungsverfahren, mehr Autonomie für die Gemeinden innerhalb der fest zu legenden Siedlungszonen sowie ein strenger Schutz seitens des Landes zur Erhaltung von Landschaft und Landwirtschaft außerhalb der Siedlungszonen zu ermöglichen. Dabei wurde auf die Mobilisierung bestehender Baulandwidmungen, die vorrangige Nutzung von Leerstehungen und auf gemeindeübergreifende Entwicklungskonzepte wert gelegt.

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In der nachfolgenden Diskussion forderte Martin Ohneberg, Präsident der Industriellenvereinigung Vorarlberg, ein „Big Picture“ mit zukunftsorientierten Zielsetzungen für das Ländle. Vorarlberg brauche ein ganzheitliches, mutiges Zukunftsbild, welches zwischen den ländlichen Regionen sowie der „urbanen Region“ Rheintal zu differenzieren sei. Die dynamische Entwicklung des zentralen Wirtschaftsraumes erfordere eine offene und gemeinsame Diskussion sowie einen Ausgleich mit Augenmaß zwischen allen Nutzergruppen. Dies schließe auch eine dynamischere Betrachtung der Landesgrünzonen ein, wobei es nicht um deren Verdrängung, sondern um die Entwicklung prioritärer Nutzungs- und Entwicklungsszenarien ginge.

Josef Mathis  vom Verein Landluft und Mitbegründer der Initiative vau | hoch | drei hob den hohen gesellschaftlichen Wert der Landesgrünzonen hervor und appellierte nach dem Motto „Geht’s der Landwirtschaft gut – geht es allen gut“, dass es neben den wichtigen Naturschutz- und Erholungsaspekten auch innovative Konzepte zur Stärkung einer regionalen Landwirtschaft bedürfe. Ganz allgemein müsse die Bewusstseinsbildung für Baukultur voran getrieben werden. Mathis und Ohneberg waren sich darin einig, dass die von der Landesregierung beschlossenen Novellen zur Raumordnung und zum Grundverkehrsgesetz „Schritte in die richtige Richtung“ wären, aber dass zur Mobilisierung von bereits gewidmeten Bauland, das derzeit in Vorarlberg zu einem Drittel brach liegen würde, weitere und mutigere Schritte und Maßnahmen erforderlich wären. Karin Hinteregger von der AK Vorarlberg berichtete, dass die vergebliche Suche nach leistbarem Wohnraum  bereits im Mittelstand angekommen sei und dass die enorm hohen Mieten -– Vorarlberg ist diesbezüglich Österreichweit Spitzenreiter – vor allem in der Pension ein existentielles Problem werden würden.

Leistbare Wohnungen und eine hohe Lebens- und Wohnqualität wären aber wesentliche Voraussetzungen, um qualifizierte Arbeitskräfte in der Region zu halten. Und das wiederum läge im unmittelbaren Interesse der Wirtschaft. Andreas Marth regte an, für ausgesuchte Gebiete kreative, interdisziplinäre Teams zu beauftragen prototypische Entwicklungsszenarien zu erarbeiten, in welchen Innovation und neue Wege ermöglicht würden. Auch in der anschließenden Diskussion mit dem Publikum wurde mehr Mut und das konsequente Umsetzen, schon lange  bestehender Ziele gefordert. Das Beispiel Südtirol zeigt jedenfalls, dass eine verschränkte und gesamtheitliche Betrachtung von Raumordnung, Bauordnung und Landschaftsschutz sowie das etablieren neuer Strategien und Prozesse sowie die Verankerung konsequenter Umsetzungsinstrumente wesentlich sind. Die Differenziertheit der Regionen legt nahe weniger Richtzahlen in Gesetzestexte zu packen. Viel mehr sollten im Rahmen konkreter Mustergebiete mit Unterstützung interdisziplinärer Expertise und gremialer Beratung fallspezifisch und kreative Lösungen gefunden werden, die dann Beispielcharakter hätten. Man darf gespannt sein ob künftig IV, AK, Land, Kommunen und Interessensgruppen aus der Zivilgesellschaft derartige Prozesse und Projekte künftig tatsächlich gemeinsam tragen werden.

 

Die Veranstaltung fand statt in Kooperation mit dem vai Vorarlberger Architektur Institut.



„Eigentum verpflichtet gegenüber der Gemeinschaft“

In Vorarlberg gibt es eigentlich genug Bauflächen. Von den derzeit gewidmeten Bauflächen sind nur zwei Drittel verbaut. Das andere Drittel von Vorarlbergs Bauland wäre theoretisch verfügbar. In der Praxis hat eine junge Familie aber wenig Aussicht, ein bezahlbares Grundstück auf dem freien Markt zu finden. Weil Baugründe seit Jahrzehnten in Vorarlberg auf Vorrat gekauft und gehortet werden, der Wertsicherung und Spekulation dienen und kaum weiterverkauft werden. Für diese raumplanerische Fehlentwicklung zahlt die Allgemeinheit einen hohen Preis. Dem Besitzrecht an Bauland sollen Pflichten gegenüberstehen, die der gesamten Bevölkerung dienen. Die unabhängige Initiative vau | hoch | drei wird von einer breiten zivilgesellschaftlichen Basis getragen und sieht die neuesten Vorarlberger Novellen von Raumplanungsgesetz und Grundverkehrsgesetz als erste wichtige Schritte für eine gemeinwohlorientierte Raumordnung. Einige ihrer Forderungen sind in den Novellen umgesetzt worden, aber die Maßnahmen gegen die Baulandhortung reichen nicht aus. Die Gesetze sind, die Mobilisierung des bestehenden Baulands betreffend, unwirksam. Das zeigt sich einerseits in der wiederholten Forderung der Industriellenvereinigung Vorarlbergs nach mehr Flächen für die wirtschaftliche Weiterentwicklung, auch in die Landesgrünzonen hinein. Andererseits führt Vorarlberg Österreichweit punkto Mietkosten. Aktuelle Umfragen der AK belegen, dass aufgrund steigender Boden- und Wohnungspreise, für viel junge VorarlbergerInnen zu wenig leistbarer Wohnraum zur Verfügung steht. Das betrifft nicht nur Menschen mit niedrigem Einkommen, sondern bereits den Mittelstand.

Leistbarem Wohnraum stehen spekulativer Leerstand und Bodenhortung entgegen. Auch ist mancherorts in Vorarlberg das Phänomen der Eigentumszentrierung auf einige, wenige Eigentümer zu beobachten. Die Ressourcenknappheit des nicht vermehrbaren Guts „Grund und Boden“ erfordert von den politischen Entscheidungsträgern nicht nur einen verantwortungsvollen Umgang, sondern auch konsequente und gemeinwohlorientierte Strategien. Das Eigentumsrecht an Baugrund ist in Vorarlberg bis heute – anders als in vergleichbaren Regionen – an keinerlei Verpflichtungen geknüpft. Der gesellschaftliche und verfassungsrechtlicher Grundkonsens, dass Rechte immer auch mit Pflichten verbunden sind, gilt derzeit in Ländle (noch) nicht.

In Südtirol sieht das neue Landesgesetz „Raum und Landschaft“, das mit 1. Jänner 2020 in Kraft tritt, den strengen Schutz der Landschaft außerhalb ganz konkreter Siedlungsgrenzen vor, erleichtert aber innerhalb dieser die Nachverdichtung sowie die bessere Nutzung bereits erschlossener Flächen und priorisiert die Nutzung des Leerstandes. Weiters sieht es eine Reihe von Maßnahmen für ein leistbares Wohnen vor und trägt dazu bei, dass die entstehenden Wohnungen zu sozial verträglichen Preisen zu haben sein werden.

Im Vortrag von Frank Weber, Ressortdirektor für Raumentwicklung, Landschaft und Denkmalpflege im Land Südtirol, erfahren wir mehr über Gesetz und Gesetzgebungsprozess, sowie die in diesem Zusammenhang geführten Diskussionen. Im Anschluss daran diskutieren wir gemeinsam mit den ExpertInnen am Podium sowie dem Publikum, welche Schritte und Maßnahmen für Vorarlberg wünschenswert wären.

Vortrag

Frank Weber | Südtiroler Landesverwaltung

Frank Weber hat in Weimar Architektur (Vertiefung Städtebau und Raumplanung) studiert und ist 2007 in den Dienst bei der Südtiroler Landeverwaltung eingetreten. 2010 hat er an der smbs der Universität Salzburg den MBA in Public Management erworben. Er war Direktor des Amtes für Ortsplanung und führt seit 2017 die Landesabteilung für Natur, Landschaft und Raumentwicklung. Seit 1. Februar leitet er zudem das Ressort der Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer für Raum-entwicklung, Landschaft und Denkmalpflege.
Weber hat den Prozess der Entstehung des Südtiroler Gesetzes „Raum und Landschaft“ von Anfang an begleitet sowie an den Leitlinien des Raumordnungsgesetzes federführend mit-gearbeitet. Zurzeit ist Frank Weber mit den Maßnahmen zur Umsetzung des Gesetzes beschäftigt, die u.a. die Formulierung von 26 Durchführungsverordnungen, die Umsetzung eines Pilotprojektes mit 7 Gemeinden sowie die Durchführung eines Befähigungslehrganges für Gemeindeangestellte beinhalten.

Das Podium

Andreas Marth | AllesWirdGut Architekten
ist mit Friedrich Passler, Herwig Spiegl und Christian Waldner Mitbegründer und Partner von AllesWirdGut Architekten mit Firmensitzen in Wien und München. Architektur ist kein Selbstzweck, der Nutzen steht im Vordergrund. AllesWirdGut konzentriert sich auf Inhalte und Synergien – auf sich ergänzende und somit ressourcensparende Funktionen – erfolgreich umgesetzt mit der Unternehmenszentrale Büro Hohe Brücke der Fa. Doppelmayr in Wolfurt.

Josef Mathis | Verein Landluft - vau | hoch | drei
war 33 Jahre lang Bürgermeister von Zwischenwasser und engagierte sich langjährig für die Gemeindekooperationen im Oberen Rheintal sowie für die Region Vorderland-Feldkirch. Josef Mathis ist Obmann des Vereins »Zukunftsorte« und Vorstand von »Landluft – Verein für Baukultur«. Er ist Mitbegründer der Initiative vau | hoch | drei, die sich für eine gemeinwohlorientierte Raumordnung sowie mehr Bewegung im Grundstücksmarkt in Vorarlberg einsetzt.

Karin Hinteregger | AK Vorarlberg
ist Juristin, Bereichsleiterin für Wirtschaftspolitik und Abteilungs-leiterin für Konsumentenberatung der AK Vorarlberg. Sie hat zum Thema Wohnen und Wohnkosten in Vorarlberg eine hochaktuelle Befragung durchgeführt und ist mit den Sorgen und Nöten der VorarlbergerInnen zu diesem Thema vertraut. Sie fordert leistbare Flächen für mehr sozialen Wohnbau mit günstigeren Angeboten für Niedrigverdiener.

Martin Ohneberg | Industriellenvereinigung Vorarlberg
Der geborene Bregenzer studierte Betriebswirtschaftslehre an der WU Wien. Nach dem Studium war er unter anderem als Geschäftsführer des Dorotheum und Finanzvorstand der Soravia Gruppe tätig, bevor er im Jahr 2011 mehrheitlich die HENN GmbH & Co in Dornbirn übernahm. Als ehrenamtlicher Präsident der IV-Vorarlberg setzt er sich für ein ganzheitliches, mutiges Zukunftsbild „Big Picture“ ein. Dazu braucht es eine gemeinde-übergreifende Raumplanung, mehr Steuerung durch das Land, mehr Höhe/Dichte, eine Überarbeitung der Landesgrünzone und die Mobilisierung bestehender Grundstücke.

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